Im Schatten der Spiegel

Manchmal sitze ich einfach da und denke über alles nach. Über die Jahre, die sich wie ein verschlungener Pfad durch meine Erinnerung ziehen, über all das, was ich auf diesem Weg verloren und was ich auf einmal gefunden habe. Auf den ersten Blick könnte man sagen, dass alles irgendwann einfach “auf einmal” anders wurde, dass ein Moment kam, in dem alles gut war. Doch die Wahrheit ist, dass dieser Moment nicht so einfach zu fassen ist. Er kam schleichend, fast unmerklich, wie der beginnende Regen, der erst als feiner Nebel in der Luft liegt, bevor er schließlich den Boden berührt.

Ich wuchs auf wie ein Nomade. Ein Teil von mir wusste nie wirklich, wo er hingehörte. Wir zogen von Ort zu Ort, nicht weil wir es wollten, sondern weil es irgendwie nötig war. Ein ständiger Wechsel, der sich anfühlte wie ein endloser Kreis. Doch es gab einen Punkt, an dem dieser Kreis stillstand – meine Oma. Sie war der einzige Anker in einem Sturm aus Ungewissheit. Und doch fühlte sich mein Leben immer wie ein Pendel an, das zwischen den Extremen schwankte: einerseits die ständige Sehnsucht nach Ruhe und Zugehörigkeit, andererseits das unaufhörliche Bedürfnis, mich von allem zu befreien.

Ich war nie wirklich da, nie ganz hier. Mich quälten, die ständigen Zweifel, die mich erdrückten. Ich war so beschäftigt mit den Erwartungen der Welt, dass ich nie wirklich wusste, was ich wollte.

Und dann hörte ich auf. Ich lies los. Ich schrie. Ich beschloss keine Angst mehr zu haben. Es war, als würde ich aufhören, gegen mich selbst zu kämpfen. Ich stellte mir vor, dass der Schatten, der mich so lange verfolgte, nicht mein Feind war, sondern ein Teil von mir, den ich lange nicht akzeptieren wollte. Ich gab ihm Raum. Und mit diesem Raum kam etwas Unerwartetes. Etwas, das sich anfühlte wie ein Seufzer. Eine Erleichterung. Die Freiheit, einfach zu sein.

Es gibt diesen einen Moment, den wir alle irgendwann erleben müssen. Den Moment, in dem wir in den Spiegel schauen und uns fragen: Will ich dieser Mensch bleiben, der ich heute bin? Michael Jackson sang einmal: “Ich fange mit dem Mann im Spiegel an, ich bitte ihn, mein Verhalten zu ändern. Denn wenn du die Welt zu einem besseren Ort machen willst, wirf einen Blick auf dich selbst und nimm diese Veränderung vor.”

Und vielleicht ist das genau der Schlüssel: Nicht gegen uns selbst zu kämpfen, sondern uns mit all unseren Schatten und Lichtseiten anzunehmen – und dann bewusst zu wählen, wer wir sein wollen.

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